Berlin Calling

Veröffentlicht am 20. Juli 2020
Im wohl bekanntesten Film über die Berliner Techno-Szene ist die ein Drogensumpf. Anstatt das Verhältnis von Drogen und Kunst zu reflektieren, hebt der Film einfach mal den moralischen Zeigefinger.
Es gibt Menschen, die als Kind davon träumen, Fußball-Profi zu werden. Und es gibt Menschen, die als Jugendliche davon träumen, DJ zu werden. 

Martin (gespielt vom bekannten DJ und Produzenten Paul Kalkbrenner) gehört definitiv zu Letzteren, auch wenn er bei seinen Auftritten Fußball-Trikots trägt, dreht sich bei ihm alles um die Musik. Sein Künstlername ist Ickarus. Als Techno-DJ ist das Licht, das ihn anzieht nicht das der Sonne, sondern das des Stroboskops. Im Flackern des Lichts lebt er die Rave-Kultur mit Sex, Drugs and Techno. Sein Name ist Programm. Denn DJ Ickarus fliegt unter Einfluss aller möglichen Drogen zu nah an die Sonne und stürzt ab. Eines Tages wacht er dann in einem Krankenhaus auf, in seinem Blut wurde THC, Ketamin, MDA, MDMA, Kokain und PMA gefunden. Die letzte Droge war zu viel und löst eine Psychose aus. Einmal in den Drogensumpf verlaufen, ist es schwer da seine Füße da wieder rauszuziehen. Er landet in der Psychiatrie. Dort hält er es nicht aus und flieht zurück ins alte Leben. Für einen Tag erlebt er noch mal mit Sex und Drugs die Rave Culture. Als er zurück in die Psychiatrie kommt, schmeißt ihn seine Psychiaterin raus und er landet einige Stockwerke weiter oben im Krankenhaus.
Paul Kalkbrenner in Behandlung
Berlin Calling erzählt vom kokainierten Flug und hartem Fall eines Techno-DJs. Es wirkt, als wollte der Film das alte Sprichwort "Der Mensch ist nicht schlecht, sondern die Umstände machen ihn dazu" behandeln. Denn Martin ist eigentlich ein netter Kerl, aber in seiner natürlichen Umgebung als DJ Ickarus ist der Fall vorprogrammiert: Sein Umfeld ist so voller Drogen, dass er darin versinkt. Das mag zwar stimmen, wirkt aber etwas kurzsichtig gedacht: Denn Drogenkonsum in der Kunst hat eine längere Geschichte und die Lösung der Probleme eines Künstlers durch die Loslösung von Drogen darzustellen wie Berlin Calling das macht, ist etwas zu einfach. Denn bestimmt hätte es ohne Drogen einige der großartigsten Alben der Musikgeschichte nie gegeben. Versuch dir mal vorzustellen wie Pink Floyd Dark Side on the Moon, die Stones Exile on Main Street oder die Doors L.A. Women ohne Drogen machen? In der Musik braucht man einfach Höhen und Tiefen und der ein oder andere braucht, um diese zu erschaffen einen intensiveren Zugang zu sich selbst und seinem Unterbewusstsein. Und so passt wohl ein anderes Sprichwort besser, um die Lehre des Films zu korrigieren: Die Menge macht das Gift. Das gilt auch, oder vielmehr gerade eben, für Drogen. Denn wie lehrte uns der Ikarus-Mythos: Nur wer zu hoch fliegt, der verbrennt sich die Flügel. Die Kunst ist also zu wissen, wie hoch man fliegen kann ohne anschließend abzustürzen.
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